Der Turnerspiegel

1.
Viele Leute gibts in unseren Tagen, die reden von der Turnerei
und ohne sie darum zu fragen, glaubt man, sie wären mit dabei.
Sie pflegen sich in süßer Ruh,
verdau’n ihr Mahl, wie’s Gras die Kuh,
doch ach, sie turnen nicht, sie turnen nicht!

2.
Die Advokaten und Juristen, die führe ich zunächst hier an
ob Juden sie sind oder Christen, sie stellen uns nur wen’ge Mann.
Sie reden viele von Recht
und Pflicht und halten über uns Gericht,
doch ach, sie turnen nicht, sie turnen nicht!

3.
Auch muß ich hier die Ärzte nennen, Gesundheit ist ihr Feldgeschrei,
sie, die ein Herr von Übeln kennen, das Schuld an unseren Leiden sie.
Sie reden von Epidemie,
Desinfektion, Orthopädie,
doch ach, sie turnen nicht , sie turnen nicht!

4.
Und nun die Lehrer unsrer Jugend, die ganz- und halbstudierten Herren,
sie, Muster jeder Pflicht und Tugend, und Pflanzer von der Weisheit Kern.
Sie bläuen manchen armen Tropf
und bringen Grütze in den Kopf,
doch ach, sie turnen nicht , sie turnen nicht!

5.
Die wicht’gen Herren von der Feder, die schmieren Akten ohne Ruh,
ihr Sitzfleisch wird so hart wie Leder und krumm ihr Rücken noch dazu.
Sie gehn spazieren in den Wald
und kegeln auch auf jeden Fall,
doch ach, sie turnen nicht , sie turnen nicht!

6.
Drum auf, ihr Männer aller Stände, soweit die deutsche Zunge klingt,
kommt, reicht zum Turnen euch die Hände und klettert, lauft, schwingt und springt!
Dann endlich kommt die gold’ne Zeit,
der wir entgegenjubeln heut,
doch ach, sie turnen nicht , sie turnen nicht!

Melodie: Crambambuli